«Lehrer arbeiten viel und motzen gar nicht ständig»

von A. Peter­hans — Junge PH-Stu­den­ten sagen, wieso sie trotz Helikopter-Eltern, steigen­der Arbeits­be­las­tung und wenig Anerken­nung Lehrer wer­den wollen.

13 Wochen Ferien und ein «Schog­gi-Läbe» – die Klis­chees gegenüber dem Lehrerberuf hal­ten sich hart­näck­ig. Zwar ver­di­enen Schweiz­er Lehrer im OECD-Ver­gle­ich gut. Trotz­dem fordern Gew­erkschaften mehr Lohn, um den Beruf attrak­tiv­er zu machen und dem Lehrerman­gel zu begeg­nen. Drei junge ange­hende Lehrer erzählen, wieso sie trotz Klis­chees und steigen­der Belas­tung unter­richt­en wollen.

«Ich beginne nun mein viertes Aus­bil­dungs­jahr zur Sekun­dar­lehrerin an der PH Zürich. Die Vorurteile sind immer diesel­ben: Wir arbeit­en zu wenig, aber motzen auf Hoch­touren. Ich finde den Lohn zum Beispiel in Ord­nung und geniesse die zeitliche Flex­i­bil­ität, die der Job mit sich bringt.

Viele Vorstel­lun­gen sind aber auch ein­fach falsch: Nach dem Unter­richt kommt man meis­tens nicht nach Hause und kann abschal­ten. Die Lek­tio­nen kön­nen immer noch bess­er gestal­tet wer­den und die Prob­leme der Kinder sind auch nach Schulschluss noch da.

Während mein­er Prak­ti­ka unter­richtete ich auch in ein­er Stadtschule. Da hat es viele Kinder aus bil­dungs­fer­nen Schicht­en, die mehr Betreu­ung brauchen – da kön­nen die Eltern nicht bei den Hausauf­gaben helfen. Hier geht es auch darum, Kinder zu erziehen.

Mein Ziel ist es, die Kinder auf die Gesellschaft vorzu­bere­it­en. Sie sollen wis­sen, dass sie einzi­gar­tig sind, und zu Men­schen her­anwach­sen, die ein gesun­des Selb­st­wert­ge­fühl haben. Das kann man zum Beispiel, indem man während den Pausen nicht nur im Lehrerz­im­mer sitzt, son­dern auch dann auf die Kinder einge­ht.»

Mario C., 26. Wädenswil: «Schon das Studi­um bringt keine Anerken­nung.»
«Ich starte am Mon­tag mein Zweit­studi­um an der PH in Zürich zum Sekun­dar­lehrer. Vorher studierte ich Maschi­nen­bau und habe schon zwei Jahre als Inge­nieur gear­beit­et. Den Lehrerberuf kenne ich durch mein famil­iäres und kol­le­giales Umfeld. Die Auf­gabe ist abwech­slungsre­ich und kein Ver­gle­ich zum 0815-Büro-All­t­ag.

Es waren die Vorurteile, die mich davon abhiel­ten, gle­ich an die PH zu gehen. Wenn ich beispiel­sweise jeman­dem sage, ich studiere Maschi­nen­bau, denkt man: Wow, Respekt. Sagt man allerd­ings, man gehe an die PH, gibt es keine Anerken­nung.

Durch meine Beruf­ser­fahrung kann ich nun ein besser­er Lehrer wer­den: Als Sekun­dar­lehrer, der Jugendliche von handw­erk­lichen Berufen begeis­tern sollte, muss ich auch ver­ste­hen und erzählen kön­nen, was draussen abge­ht und welche Fähigkeit­en dort zählen. Das ist zugegeben auch mein Kri­tikpunkt an Lehrern, die direkt vom Gymi kom­men. Da muss man sich nicht wun­dern, wenn eine handw­erk­liche Beruf­slehre in der Schweiz immer unbe­liebter wird.

Ich war über zehn Jahre Leit­er im Jugend­ver­band Jung­wacht Blau­r­ing und habe unzäh­lige Zelt‑, Ski­lager und Freizeitak­tiv­itäten gestal­tet. Ich freue mich darauf, auch den Unter­richt kreativ zu gestal­ten, und will die Kids mit meinen eige­nen Inputs begeis­tern.»

Alexan­dra G., 25. Freiburg: «Ich will eine bessere Lehrerin wer­den, als es meine eigene war.»

«Ich bin in der Mas­ter­aus­bil­dung zur Heilpäd­a­gogin, arbeite aber schon Teilzeit. Gegenüber Vorurteilen recht­fer­tige ich mich nicht mehr. Viele ver­ste­hen die Her­aus­forderun­gen des Berufs nicht.

Man muss sehr sen­si­bel sein. Ich half schon als Kind gern den Schwächeren. Ich kenne die Prob­leme der Kinder von mein­er eige­nen Schulzeit. Ich war die einzige Asi­atin an mein­er Schule und wurde gemobbt. Jed­er Tag war ein Kampf. Erst ab der fün­ften Klasse bekam ich eine Lehrper­son, die nicht mehr wegschaute. Von da an wusste ich: Ich will auch Lehrerin wer­den.

Zudem gibt es viele schwierige Sit­u­a­tio­nen mit Eltern: Let­ztes Jahr wollte beispiel­sweise die Mut­ter eines hochbe­gabten Kindes ihren Sohn mit Einzellek­tio­nen fördern und von der Klasse abson­dern. Bei solchen Kindern hinkt aber meis­tens die Sozialkom­pe­tenz den schulis­chen Leis­tun­gen hin­ter­her.»

Auszug aus 20min.ch vom 17. Sep­tem­ber 2018